Freitag, 31. Januar 2014

Billabong


Fasziniert vom Blau der Berge erkunden meine Tochter und ihre Freundin die Wildnis der australischen Blue Mountains, atmen die ätherische Eukalyptusluft und waten durch den Ross Billabong, den Big Billabong und den Talowla Billabong. Ihre Begeisterung über die Weite der Landschaft, die Flora und Fauna erreicht mich auch über 16.570,15 km mit voller Wucht – das Östliche Graue Riesenkänguruh, der Rotnackenwallaby und der Nacktnasenwombat scheinen mich mit ihrem struppigen Fell zu streifen und mustern mich mit ihren schwarzen Knopfaugen. Die Mädchen ducken sich, als unverhofft ein Riesengleitbeutler über sie hinwegstreift, irgendwie ist hier alles XXL und deshalb auch dieser emotionale Flash. Abends am Feuer essen sie Bush Food, das kennen ja alle aus dem Dschungel Camp. Und ist es nicht bezaubernd, dass meine Tochter mir zuliebe einen Blick auf die einzigartige und wunderbare und erst 1994 entdeckte Wollemie (Wollemia nobilis) wirft und diese Erfahrung damit ins Familienerbe überführt. 

Donnerstag, 30. Januar 2014

greifbar nah


„Was ist eigentlich aus dem Chaos geworden?“
„Ich habe mir im Anfangsstadium die Finger verbrannt.“
„Echt? Warum das denn?“
„Na ja, ich spiele eben gerne mit dem Feuer.“
„Also selber Schuld, haha!“
„Dafür habe ich jetzt diese schöne Narbe, sieht aus wie eine Himbeere (Rubus idaeus), findest du nicht?“
„Stimmt! Als Erinnerung oder als Mahnung?“
„Beides, aber ich glaube es ist noch nicht vorbei.“
„Wieso? Sieht doch schön ordentlich aus hier bei dir.“
„Die leeren Flächen brauche ich für meine Projektionen.“
„Ich dachte die Lösung kommt von ganz alleine, als Auflösung sozusagen.“
„Normal schon. Vielleicht ist sie bereits greifbar nah.“
„Die Mandelplätzchen sind lecker, probier mal.“
„Stört es dich, wenn ich sie in meinen Kaffee tauche?“
„Nö, mach nur. Ich mag es lieber wenn sie knacken.“

Dienstag, 28. Januar 2014

It´s a gift


In meiner Tür steht ein Mann der sagt er ist ein Transformator. Ich bin nicht sicher was er damit meint und traue mich auch nicht zu fragen, denn ich spüre ab der ersten Sekunde eine deutliche Spannung zwischen uns – keine dieser spannenden Spannungen sondern eher eine von diesen die zu unangenehmen Verwicklungen führen. Vor meinem inneren Auge spult sich ein Film von früher ab und ich glaube der Transformator kann ihn sehen. Er fragt mich freundlich ob er Korrekturen vornehmen soll, er kann den Film zum Beispiel anders wickeln und das hat schon enorme Auswirkungen. Ich überlege fieberhaft und stehe irgendwie unter Strom. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, was soll ich antworten. Ich bin auf diese Begegnung nicht gefasst und will nicht, dass der Transformator mich wie ein Bauelement ansieht wo er doch selbst eines ist. Also sage ich laut und deutlich dass ich zurzeit keine Umwandlung wünsche und bedanke mich höflich für seinen Besuch. Sein magnetischer Blick löst sich von mir, er greift in seine Tasche und schenkt mir zur Erinnerung einen Eisenhut (Aconitum). Er weiß wohl um dessen tödliches Gift, er weiß aber nicht dass ich es auch weiß.


Sonntag, 26. Januar 2014

Survival Day

Meine Tochter und ihre Freundin feiern heute den australischen Nationalfeiertag in Byron Bay, laut Forbes Magazine ist dort der sexiest Beach of the World. Ganz im Einklang mit dem Enkel seines berühmten Namensgebers scheinen die gutaussehenden braungebrannten Surfer direkte Nachfahren der Helden in Lord Byrons Dichtung zu sein – geprägt von der Ablehnung althergebrachter Strukturen, intelligent, mutig und leidenschaftlich, jedoch gleichermaßen rastlos, verletzlich und einsam.... neee, also vielleicht doch nicht. Es wird mega- und mallemäßig gefeiert, sagt meine Tochter mit einem besorgten Blick auf ihre Freundin, die gerade erfahren hat, dass Australiens höchster Berg Big Ben heißt und sich dabei vor Lachen verschluckt hat und zu ersticken droht. Das britische Empire ist allgegenwärtig trotz der Tatsache, dass Australien in der Botanik als eigenes Florenreich Australis geführt wird und die Gold-Akazie (Acacia pycnantha) das Nationale Blumensymbol und im Wappen abgebildet ist. Irgendwann in der Nacht erklingen sanfte Gitarrenklänge und eine Stimme, die direkt aus dem Reich der australischen Ureinwohner zu kommen scheint.

Donnerstag, 23. Januar 2014

Big Picture


Die Elise-Episoden sind abgedreht, auf nach Hollywood (Ilex aquifolium). Seit wir das Parfüm nicht gemacht haben sprechen wir jenseits des Drehbuchs über den Sinn des Lebens und was uns die großen Momente verschafft, die es süß und schwer machen. Wir beschließen die Kostümierung hinter uns zu lassen und uns der Einfachheit der täglichen Ereignisse zu stellen. Ein kleiner Rest Traurigkeit bleibt bei der Erinnerung an das Vorher das jetzt vorbei ist. Melancholie werten wir als tiefe Empfindung. Elise ist in der Postproduktion und wird das Material noch eine Weile bearbeiten bis es den Schnitt hat den alle sehen wollen. Ich werde mich nun der interpretativen Semantik zuwenden, nachdem ich mich in der Vergangenheit zu sehr auf die Syntax konzentriert und das große Bild aus den Augen verloren habe. Darauf freue ich mich: aus den Tiefen endlich an die Oberfläche aufzutauchen, im seichten Wasser plantschen, Laute des Entzückens ausstoßen, den Überblick bis an den Horizont genießen und all die Möglichkeiten erwägen. Das könnte glatt ein Happy End werden.


Dienstag, 21. Januar 2014

absolut.


Das Thema Transformation wird nun von hochprozentigen Produkten dominiert, das ist ganz schön gewagt, denn eigentlich ist ja klar was aus so einer Transphase resultiert, menschliche Wracks, die ihr Zombiedasein durch erneute Transformation überwinden müssen wenn sie das wollen. Sie können sich natürlich auch zu Tode saufen sozusagen als konsequenteste Umsetzung der Umwandlung von Materie. Neeee, ich bin nicht gegen Alkohol, dafür liebe ich das Design von Cocktailbars zu sehr und alkoholfreie Drinks finde ich lächerlich, mich beeindruckt wenn jemand einen ganz bestimmten kaum aussprechbaren schottischen Whiskey beim Barkeeper bestellt, das zieht sich ja auch als besonderes Autorinnenzitat durch die Romane genauso wie die Nennung von total sophisticated Musikstücken, aufgenommen zum Beispiel 1957 von dem einen großen Orchester, das dies zusammen mit dieser Sängerin, von der kaum jemand jemals gehört hat, nur einmal gemacht hat, aber es gibt eine Platte davon und die spielt der männliche Protagonist auf seinem Hightechplattenspieler. Ich komme mir dann immer extrem ungebildet vor. Mein Pflanzenwissen hat im Vergleich dazu den Ruch des Einfältigen, denn wen interessiert schon, dass ich zu Hause eine Wermut-Pflanze (Artemisia vulgaris) habe, deren bittere Aromastoffe den Geschmack vieler Aperitifs ausmacht, nicht nur die bekannten billigen Sorten und deren Blätter samtig glänzen - absolut niemanden.

Sonntag, 19. Januar 2014

subsp.


Der Teufel ist unser Gast, er kommt mit Wildem Wein (Vitis vinifera subsp. sylvestris), wir wissen nicht wer ihn eingeladen hat. Elise trägt das Kostüm einer Köchin, sie kocht für eine mitteleuropäische Heidengesellschaft. Der Teufel setzt sich dazu und grinst. Alle rücken ein Stück weg. Ich stelle ihm einen Teller hin, der nicht zu den anderen Tellern passt und sein dunkles Auge betrachtet mich kritisch. Ich bin nur die Küchenmagd, aber ich kann Zaubersprüche und schwarze Magie. In meinem Zimmer habe ich den Teufel an die Wand gemalt und ihm Reißzwecken zwischen die Rippen gestoßen. Er dürfte es hier heute Abend nicht lange machen bevor er tierische Schmerzen in seinen Eingeweiden hat. Elise mischt außerdem noch etwas Gift in sein Essen, Pulver von bittersüßem Nachtschatten, so fein gemahlen wie Pfeffer, er kann es unter den vielen Gewürzen und Kräutern nicht herausriechen. Als sich der Teufel in Krämpfen auf dem Boden windet, prosten sich alle wild mit dem Wein zu und werfen die Gläser nach ihm. 

Freitag, 17. Januar 2014

the beach


Für meine Tochter und ihre Freundin fühlt sich dieses Gefangensein in Raum und Zeit an wie das Paradies. Sie schaffen es einfach nicht sich von Airlie Beach zu trennen obwohl es keine Insel ist und obwohl es an der Küste entlang bis Brisbane nur schlappe 1.135 Kilometer sind; nach Sidney sind es 1.850 und nach Melbourne 2.450 Kilometer. Sie habe ihre Bedürfnisse auf das Wesentliche heruntergeschraubt: Nach einer Nacht im grünen Campingminivan kurz in den kristallklaren Ozean eintauchen, den einheimischen Fischern zuwinken, dann einen ruhigen Tag unter Palmen (Cocos nucifera) verbringen und abends am Feuer sitzen bis sich nach einigen Drinks wohlige Müdigkeit einstellt. Eigentlich müssten sie weiterfahren um diese Entfernungen zu schaffen und es könnte durchaus sein, dass es unterwegs weitere völlig abgeschiedene kleine wunderschöne Orte gibt, die schon beim Hineinfahren so aussehen als würde man nie wieder weg wollen. Meine Tochter sagt, die Menschen würden hier vor Glück leuchten wie nachts das Meer. Morgen müssen sie weiter, warum nur.

Donnerstag, 16. Januar 2014

Mittelerde


Elise nimmt morgens ein Melissebad oder ist es ein Molassebad oder ein heißes Moorbad, ich verwechsle das dauernd weil ich stehe nicht auf Bäder wegen der Kacheln an der Wand. Wenn es nach mir ginge gäbe es keine Fliesen auf der Welt, höchstens solche wie in der Alhambra oder in Marokko. Die Muster dieser Kacheln sind so kontemplativ, dass man eigentlich gar nicht baden braucht um sich zu entspannen, man starrt einfach nur 20 min an die Wand und atmet. Aber wir sind ja nicht in Algier oder Tanger sondern in der guten alten Mittelerde mit ihren weiß gekachelten Nasszellen. Als Elise aus dem Bad kommt, trägt sie das Kostüm einer Gärtnerin, denn heute gehen wir ins Gewächshaus. Das klingt sehr romantisch, wir sollen die Blüten des Winter-Jasmins (Jasminum nudiflorum) pflücken, um daraus Parfüm zu machen. Mit unseren Körbchen laufen wir über den Hof und irgendwie kommt uns das Glashaus schon von außen seltsam vor. Vorsichtig öffnen wir die Tür und blicken ins Innere. 

Dienstag, 14. Januar 2014

Lust auf Gemüse


Mein neues Herz überrascht mich, es ist wild und weich zur gleichen Zeit. Erstaunt schaue ich Elise an, sie sagt das hättest du nicht für möglich gehalten, was? Stumm schüttele ich den Kopf. Sie hat dieses Herz schon länger für mich ausgesucht, es ist das eine das zu mir passt und ich soll mich doch jetzt freuen. Früher hätte sie es mir nicht geben können, weil sie erstens noch keine Rolle dafür spielte und ich zweitens noch nicht soweit war und es manchmal im Leben auf diese kuriosen kleinen Koinzidenzen ankommt und so weiter. Mit einem Augenzwinkern erinnert sie mich an die Zauberstäbe bei Harry Potter, die müssen auch zu ihren persönlichen Zauberern und Hexen finden sonst zaubern sie nur Unsinn. Ich bin nicht sicher, ob ich diese leichtfertige Analogie annehmen kann. Aber egal, ich lausche jetzt auf den ungewohnten Ton in meiner Brust und versuche Kontakt aufzunehmen indem ich mein Herz frage ob es sich gut eingelebt hat und ob ich noch etwas tun kann damit es sich wohl fühlt. Es sagt es hat große Lust auf an der Sonne gereiftes Gemüse, am liebsten Buschbohnen oder Zucchini (Cucurbita pepo), Tomaten sind auch okay. So einfach ist das? Hätte mein Herz schon einen Stein so würde er jetzt fallen. 

Sonntag, 12. Januar 2014

stille See in 3D

Meine Tochter und ihre Freundin streifen durch den ältesten Dschungel der Welt. Im Wald hängen Spinnweben wie Nebelfäden, überall kriecht und schlängelt sich Getier. Die warme Feuchtigkeit der Luft klebt an ihrer Haut wie ein totes Insekt. Die feinen Härchen ihrer Arme reagieren auf jeden Hauch, jedes Geräusch und jede kleine Bewegung. Tolle Erfahrung, sagen beide und sind schnell wieder aus dem Urwald raus. Sie tauchen ab in den Ozean. Im Wasser schweben Algen wie Luftblasen, glitzernde Fische schwimmen ihre Bahnen, es ist still und leicht. Im Blau des Meeres wachsen rote Korallen und gelbe Moose, dazwischen rollen Seeigel. Der Guide sagt zu den Mädchen es ist wie mitten in einem 3D-Film, das Glas der Taucherbrille vor den Augen, die wunderbare Unterwasserwelt auf dem Neoprenanzug und die ständige Angst vor dem Hai. Der kleine Babyhai, der sich heranpirscht, versetzt sie in Panik, aber gleich darauf streicheln sie seine raue Oberfläche, Hornhaut auf ihren weichen Fingern, ein Gefühl, das sie an nichts erinnert außer vielleicht an den Kontakt mit der Schale einer Kiwi (Actinidia deliciosa).

Freitag, 10. Januar 2014

Transplant


In unserem Drama tun wir Dinge die es nicht gibt. Wir lügen über das was wir nicht sehen, haben Spaß am Augenblick und unsere Geschichten sind jeden Tag anders. Der Nonsens befreit unsere Seelen. Die Darbietung mit Sinn zu füllen obliegt denen die gerne und ausgiebig interpretieren, sie dürfen die Handlung im Nachhinein rechtfertigen und weichzeichnen wenn sie wollen. Elise trägt heute den OP-Kittel einer Oberärztin und ist dabei mein Herz auszutauschen. Bei der Untersuchung fand sie dass es zu zaghaft schlägt und ich nicke heftig, gerne hätte ich ein anderes Herz wenn das geht. Klar, kein Problem, sie hat ein schönes wildes Herz auf Lager und das kann ich haben. Ich bin voll in der Lachgasnarkose und amüsiere mich über Elises konzentriertes Gesicht. Was machst du mit meinem alten Herz, frage ich. Es wird erst einmal eingefroren bis ich mich an mein neues gewöhnt habe und mein Gehirn es akzeptiert hat; das müsste eigentlich kein Problem sein, denn mein Gehirn stand mit dem alten Herz auf Kriegsfuß, ständig waren die beiden unterschiedlicher Auffassung, hoffentlich ändert sich das jetzt. Elise näht den Schnitt im Stil der unbeachteten Rose (Rosa omissa) wieder zu und stellt damit die Harmonie zwischen außen und innen her. Mit blutverschmierten Fingern drückt sie meine Hand und wünscht mir viel Glück. 

Mittwoch, 8. Januar 2014

Risse


Die Aussicht ist begrenzt, nur schmale Spalten zwischen den Steinen, in denen sich das Licht zu bündeln scheint. Geblendet von dem was sich hinter den Felsen verbirgt taumeln wir wieder zurück. Elise trägt heute die Wollmütze einer Widerstandskämpferin und führt Flüchtlinge durch das Unterholz. Ich bin für die Karten verantwortlich, weil wir ja so tun als gäbe es noch keine von Satelliten unterstützte Orientierung. Die Topografie macht uns ordentlich zu schaffen, überall gibt es nicht verzeichnete Riefen, Risse und Schluchten in der Landschaft, Höhlen, in denen wir Unterschlupf finden. Auch für das Feuer bin ich zuständig, es ist nicht leicht Zweige zu finden, die keinen Rauch entwickeln und uns verraten würden, ich versuche Hasel, Erle, Eiche und am Ende ist es tiefwurzelndes Pioniergehölz (Hippophae), das am besten brennt. Bei diesen milden Temperaturen könnten wir auch draußen schlafen, dann hätten wir am nächsten Tag echte verfilzte Haare und fettig glänzende Haut, an unseren Kleidern würden Schmutz und Ruß kleben und unser Atem würde stinken. Aber das machen wir natürlich nicht, ist alles nur ein Spiel.

Sonntag, 5. Januar 2014

transformanipulation


Elise ist auf Station 4 und ich schleiche nachts heimlich durch den Flur zu ihr. Die Wände haben die Farbe von Moos und durch die Fenster können wir den dunklen Wald sehen. In unseren langen weißen Nachthemden spielen wir eine Runde Tischtennis und um uns an die Garderobe zu gewöhnen, hüllen wir uns in altmodischer Manier in seidene Kimonos und kichern. Der Pool im Keller ist unheimlich, er ist grün gekachelt und sein Boden ist nicht zu sehen wie bei den moorigen Teichen da draußen in dieser Landschaft, die eigenartig still und verwachsen ist. Elise und ich sind nur selten beide gleichzeitig am Set und die düstere Stimmung des Drehbuchs überträgt sich auf uns trotz der vielen Muntermacher, die sich echt Mühe geben, aber irgendwie nicht zu uns durchdringen. Sind wir oder sie Kunstfiguren, gibt es die Katzenfrau wirklich und ist der Nebel echt, durch den die Rehe im Morgengrauen laufen? Noch ein paar Tage und die Irritation wird sich in unseren Augen spiegeln wie die Kerzenbeleuchtung im Zeichenunterricht; was real ist und was nicht wird nicht mehr so leicht zu unterscheiden sein und genau so ist es gewollt. Wir sollen Grenzen überschreiten, wenn wir unsere Rollen spielen. Mit dem Ellenbogen stoße ich Elise an, deute auf ihren Kaktus (Optunia vulgaris) auf dem Nachtschränkchen und erinnere sie daran, dass in seinen Stacheln die Wahrheit steckt.

Donnerstag, 2. Januar 2014

r.i.r.


Noch ist Winter, auch wenn im Siebengebirge die Vögel zwitschern als wäre morgen März. Tausende von geöffneten Bucheckern (Fagus cupula) knistern unter den Füßen der Waldläufer und bei einem Windstoß erheben sie sich zu kleinen gemeinen Schwärmen. Sie sirren wie Hornissen um die Bäume und kratzen an der Hülle von allem das etwas Weiches birgt, denn das Weiche hat hier im Winter nichts zu suchen. Ungeschützt trocknet es aus oder verweht. Wenn man genau hinsieht oder ein wenig unter das trockene Laub greift, liegen hier überall silberne Kapseln, die leise klingen wenn niemand zuhört. Innen drin sind Körper aller Art, Leben halt. Sie befinden sich in der so genannten r.i.r. (reduced inward reflection) Phase, in einem geschlossenen System, einem Kokon, aus dem dann zu gegebener Zeit etwas anderes schlüpft als sich vorher eingesponnen hat. Wie die Metallhülle entsteht weiß ich nicht, nur dass sie sehr fest ist und man sie auch mit einem Bolzenschneider nicht aufkriegt. Später reicht dann einfach die Gewebespannung von innen, das Ding platzt auf und heraus kriecht das definiert vorbestimmte Hübsche oder Hässliche, Geschöpfe halt. Der Winter und die Gefahr sind dann vorüber.