Montag, 31. März 2014

to unbrainwash


„Ich habe heute meine alte Klavierlehrerin getroffen.“
„Oh, und?“
„Sie hat mich gefragt, ob ich glücklich bin. Sie riet mir früher im Musikunterricht, wenn ich im Leben glücklich werden will, dann soll ich immer genau das Gegenteil davon machen was mir mein Gehirn sagt.“
„Und? Hast du ihren Rat befolgt?“
„Du kennst mich doch!“
„Ja, du bist leichtsinnig, impulsiv, abenteuerlustig und absolut liebenswert. Bist du auch glücklich?“
„Aber ja! Meistens jedenfalls.“
„Zurzeit nicht?“
„Es geht. Ich habe mich ein wenig in Konventionen verstrickt.“
„Und dein Gehirn verlangt Gehorsam, ich kenne das.“
„Ich hasse das!“
„Aber du kannst es austricksen und du weißt auch wie, oder?“
„Haha, ja klar! Gib schon her, das kleine Beutelchen!“
„Erstaunlich, dass sich ein so komplexes Gebilde mit ein wenig Süßholzraspeln (Glycyrrhiza glabra) beeinflussen lässt.“

Mittwoch, 26. März 2014

Schaflos in ...


... davon kann ich nur träumen. Schon früh wurde ich zu Sozialisationszwecken in die Herde geschickt, allein. Und natürlich sieht man auf den ersten Blick, dass ich nicht dazu gehöre, auch wenn ich in die gleiche Richtung laufe. Aber so ein Mitlaufen hinterlässt  Spuren, bei beiden Spezies: Die Schafe entwickeln eine Art von Toleranz gemäß ihres angeborenen Musters „Schwarzes Schaf“ und ich gebe ernsthaft dem blauen Schaf eine Chance, das behauptet es sei mein wahres Ich. Das geht natürlich zu weit, obwohl ich mein Interesse für gute Gräser wie die gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) nicht verhehlen kann. Auch meine Vorliebe für hundertprozent Schurwolle ist ein Indiz, aber das war es dann auch schon. Alles andere schafartige Verhalten dient eher der Ausrede ganz zu schweigen von den Balken in den Augen. Meine neue Taktik ist einfach stehen bleiben und sie an mir vorbeiziehen lassen. Denen fällt das nicht einmal auf und ganz ihrer Schafnatur entsprechend drehen sie sich auch nicht um. Jetzt sind wir uns los, oder. 

Sonntag, 23. März 2014

Felspartie


Kreuzbergs Wirtschaft Tal der roten Traube ist alles andere als beschaulich. Ich folge Elise auf einem steinigen Pfad zur hoch gelegenen Burg, die Steillage ist atemberaubend. Zum Wummern der Bässe pfeifen wir in die Luft und riesige Raben kommen geflogen. Einmal auf den Zinnen gelandet werfen sie ihre glänzenden Federn ab und lächeln uns zu. Elise nimmt meine Hand und führt mich zur Bar. Sie plaudert über ihr Begehren als wäre es ein Waldspaziergang, doch ich spüre die Dornen auf der Bergseite und das brüchige Geröll auf der Talseite. Dazwischen ist ein spektakulärer Korridor mit herrlicher Vegetation, rosa Pfirsichblüten (Prunus persica) zarter als die weißen Schlehenblüten, verführerisch wie die ersten lindgrünen Knospen der knorrigen Weinstöcke. Ich sage zu Elise irgendetwas stimmt hier nicht, es gibt zu viele Adjektive. Ihre Augen funkeln mich an, aah du hast es gemerkt, das alles hier ist nicht echt, nur eine Kulisse, ein Spiel, eine Aufmerksamkeit, aber trotzdem schön oder? Ich nicke.

Donnerstag, 20. März 2014

Schnee von gestern


Das Signal ist überraschend klar sagen die Nachfolger von Albert Einstein. Sie sehen ein deutliches Abbild der Gravitationswellen von direkt nach dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren. Dieser Schnee von vorvorgestern verschleiert sogar auf unseren Fernsehern die Sicht. Ich habe es geahnt, flüstert mir mein Gehirn zu, das mit dem Treibholz im Fluss des Vergessens klappt nicht. Es spricht mal wieder in Rätseln doch ich glaube ich weiß was es meint. Egal was ich mache oder was ich versuche nicht mehr zu tun, die Wellen des Erlebten holen mich wieder ein und nicht nur mich sondern einfach alle, auch die Pflanzen inklusive Flechten (Lichen), alle Tiere und sonstigen Wesensformen. Wenn ich es mir recht überlege, teile ich die Begeisterung der Astronomen, die jetzt andächtig zuhören, was ihnen die Signale aus der frühen Phase des Universums erzählen und sich dann darüber streiten ob es nur ein, also unseres, oder noch andere Universen gibt, die jetzt auf ihre Art diese Entdeckung feiern, sich mit buntem Sternenstaub bewerfen oder so.


Montag, 17. März 2014

Bella


Die Hitze ist die Hölle. Ich fühle mich wie im Körper von Bella aus Twilight, die auf fünfzig langatmigen Romanseiten extrem schmerzhaft zu einem Vampir transformiert. Immer wenn der Schmerz als quasi unerträglich beschrieben wird, steigert er sich auf der nächsten Seite noch einmal um mindestens das Doppelte und das also ca. 50 Mal hintereinander. Äußerlich ist Bella nichts anzumerken, in ihrem blauen Seidenkleid liegt sie friedlich auf der Unterlage während es in ihrem Innern tobt, das heißt alle Zellen, Sehnen und alles Gewebe werden mit Vampirgift versiegelt und für das zukünftige untote Leben präserviert. Ihre Vampirfamilie steht mit roten Augen um sie herum und wundert sich, dass Bella nicht schreit, tobt oder zittert. Ich glaube das ist bei mir auch so und zwar, weil ich mich schon lange auf diesen Brennvorgang vorbereitet habe, dass mich nichts, aber auch rein gar nichts davon abhalten kann diese Qualen durchzustehen und das obwohl ich (wie Bella) nicht genau weiß, was am Ende herauskommt, außer dass ich wahrscheinlich kein Vampir sein werde. Jetzt sticht jemand mit einem Feuerdorn (Pyracantha) brutal in mein Fleisch und sagt, halt durch, du musst noch etwas weiter schmoren.

Samstag, 15. März 2014

no mosquito

Meine Tochter und ihre Freundin verteilen kleine australische Glückspäckchen. Sie riechen nach Zimt und Vanille (Vanilla planifolia), nach Mango und Passionsfrucht, nach Freiheit und grünem Meerwasser. In ihrem Gepäck ist ein neues Leben. Die Erleichterung, mit Malaysia Airlines von Kuala Lumpur geflogen zu sein und nicht in einem verschwundenen Flugzeug zu landen, ist mit Händen zu greifen. Sie weinen Freudentränen, dann lachen sie wieder und sind schöner als jemals zuvor. Wie sie es gemacht haben, diese warmen Temperaturen mitzubringen, um ihre goldene Haut nicht unter kratzigen Pullovern verstecken zu müssen, verraten sie nicht. Sie hängen Moskitonetze über ihre Betten und schlafen, schlafen, schlafen bis sich ihre exotischen Träume mit dem Kölner Frohsinn zu einem jecken Cocktail vermischen. Dann trinken sie Erdbeersekt und essen Mettbrötchen. Welcome back!



Montag, 10. März 2014

Feigenbaum-Konstante


„Ich habe etwas Wichtiges entdeckt.“
„Ach ja, was denn?“
Das Chaos ist eine fundamentale Konstante in meinem Leben.“
„Das glaube ich nicht. Was du als Chaos bezeichnest ist der ganz normale Wahnsinn.“
„Diese wirbelnde Dynamik soll normal sein?“
„Sei doch froh! Langeweile wäre viel schlimmer. Ich finde es hochinteressant was so alles passiert.“
„Jedenfalls habe ich einen Feigenbaum (ficus carica) gepflanzt. Er hat schon Knospen.“
„Kein Wunder bei dem Wetter.“
„Der Baum schließt diese auffällige Lücke in unserem Garten wo früher die Satellitenschüssel stand.“
„An der alten Steinmauer? Ein schöner Platz. Warum Feige und nicht Apfel?“
„....oder Kirsche? Ich weiß nicht, es war eine spontane Entscheidung.“
„Haha, siehst du, das ist der Unterschied!“

Sonntag, 2. März 2014

Traumfrau


Mein Freund der Ex-Banker (und Ex-Zombie) erzählt mir von seiner Traumfrau, also der Frau von der er träumt. Da man Träume ja (noch) nicht steuern kann wie in Inception zum Beispiel, kann er auch nix dafür, dass es in seinen Träumen so richtig zur Sache geht. Ich frage ihn erstaunt ob er nicht Traum mit Fantasie verwechselt. Er lacht sein schönes entspanntes Lachen, das er erst so lacht seit er aus der Bank raus ist und meint das wäre ihm egal weil er ist froh, dass diese Frau nur in seinen Träumen ist und nicht irgendeine die er kennt. Denn dann würde er wahrscheinlich immer Ausschau nach ihr halten und das würde seine Ehefrau merken, er ist ja glücklich verheiratet und auf noch einen Ex-Titel hat er keine Lust. Er schildert sehr anschaulich einige Details in seinen Träumen und er und ich werden abwechselnd rot und müssen schnell einen Schluck Krambambuli (Juniperus spirituosus) trinken, aber trotzdem ist es ihm oder mir nicht peinlich, denn seit wir uns erzählen was wir so träumen waren da schon echt viel abgefahrenere und peinlichere Sachen dabei.