Freitag, 29. November 2013

burn!


Ison hat es geschafft, sagt die Nasa. Die Sonne hat ihn und seinen Schweif nicht geschluckt. Andi meint es wäre nicht schlimm gewesen es gibt noch Trillionen solcher Kometen und alle würden sie entweder entflammen oder eben nicht. Für die Materie an sich ist das völlig irrelevant, denn alles was verbrennt wird auch wieder zu festen Körpern. Er lacht und schaut mich an, das Thema Körper entfacht mittlerweile auch bei ihm ein kleines Feuer. Lustig, wie seine außerirdische Haut Funken sprüht, sind wir länger zusammen kann er als lebende Fackel durch Königswinter laufen und etwas Aufmerksamkeit erregen in der Art des Schmalblättrigen Feuerkrauts (Chamaenerion angustifolium). Ich nehme seine Hand in meine und an dieser Stelle verschmelzen wir, werden zu einem neu gemixten Stoff aus Sternen- und Erdenglut. Auch für Andi ist das neu, das sehe ich an seinem Gesicht, aus dem eine unbekannte Energie strömt und uns beide umschließt wie einen Kokon. Etwas Neues wird aus dieser Hülle schlüpfen oder vielleicht explodieren wir.

Donnerstag, 28. November 2013

großes Kino


Interessiert es meine Tochter und ihre Freundin, dass der Komet Ison heute durch das Weltall schwirrt, um in Sonnennähe mit großem Spektakel zu verdampfen, was sie sogar mit bloßem Auge erkennen wenn sie in die richtige Richtung gucken. Aber ja, seit Tagen bereiten sich die Strandläuferinnen von Adelaide darauf vor, das Brucheis aufzufangen, das dann von dem Kometen abspringt, um es in ihre Weißweinbecher zu füllen. Der Wein heißt Goldene Eiche (Quercus), kommt in einem Vierliterkarton und kostet 10 Dollar. Er ist genau das richtige Getränk, um mit Kometeneis, das auch winzige Partikel von Sternenstaub und außerirdischen Gasen in sich trägt, auf ein langes, partyreiches Leben anzustoßen. Genau genommen tun sie das just in diesem Augenblick, denn dort ist schon die Nacht der Nächte, sie tanzen auf dem Sand, spüren nicht, wie der Stechginster in ihre zarten Fußgelenke sticht, haben ihre Gesichter gen Himmel gerichtet, schauen zu wie des Kometen Gas verdampft und er sich in großem Kino endgültig und vollständig auflöst.



Dienstag, 26. November 2013

heaven


Mit einem breiten Grinsen im Gesicht gibt mir Andi die neue Maschine, die er extra für mich gebaut hat. Er sagt mit ihr kann ich alle Möglichkeiten austesten wie zum Beispiel eine kleine Kostprobe davon nehmen wie es sich anfühlt im Himmel zu sein, also nicht tot sondern das Gegenteil davon. Oder wie es ist auf einem Asteroidengürtel zu surfen. Oder wie Zeit keine Rolle mehr spielt. Wie immer hat er die Bedienung einfach gehalten, damit ich mich nicht schon bei der Entscheidung schwer tue welchen Knopf ich drücken soll. Es gibt nur zwei Richtungen, vorwärts und rückwärts. Erstaunt sehe ich Andi an und frage warum in aller Welt ich denn zurück wählen sollte. Er lächelt sein betörendes Sternenlächeln und meint dann soll ich eben nur nach vorn drehen. Ich glaube er weiß schon was ich tun werde und freut sich wie ein kleines Kind darauf, er kann gar nicht still halten vor Aufregung. Sein wildes Silberblatt (Lunaria rediviva) vibriert und er fängt an zu leuchten.

Sonntag, 24. November 2013

orientierungslos

Obwohl mein Sinn für Orientierung sonst ziemlich gut ist, kann ich nicht zwischen unten und oben oder zwischen innen und außen unterscheiden. In meiner Verwirrung brennt mir der Toast an, Gläser gehen zu Bruch und ich renne dreimal am Tag gegen die gleiche Tür. Die vertraute Topologie meiner Umgebung wird zu einem weißen Fleck auf der Landkarte, aber mein Forscherinnengeist weigert sich zu forschen. Er will sich lieber im Weiß verlieren, schneeblind, mit Eisbären und Rentieren durch das Eis schlittern und auf Schollen surfen. Mein Geist spinnt, sagt mein Gehirn. Doch dem traue ich zurzeit nicht, weil es nur konventionelles Gesülze von sich gibt, Sachen wie früher war alles besser und so. Andi findet das sehr amüsant und lockt mich in Fallen, die er so kennt; gerade hänge ich kopfüber an der Decke, meine Haut ist Fell und meine Ohren lang. Das Blut rauscht durch meinen Kopf, mein Gehirn schreit mich an ich soll damit aufhören. Ich schaue auf meinen zweidimensionalen Teppich mit nur einer Kante und einer Fläche und frage mich ob das der Boden der Tatsachen ist. Das Pflanzenmotiv darauf sieht aus wie ein Frauenschuh (Cypripedium calceolus).


Donnerstag, 21. November 2013

Elise


treffe ich bei Suicide Sue, sie ist hardcore wie fast alles hier und sieht ihrer Schwester zwar nicht besonders ähnlich aber dafür umwerfend aus. Je länger wir uns gegenüber sitzen umso mehr ist sie eine völlig eigene Person. Sie scheint auch nicht diese intensiven links zu Penelope zu haben, ich dachte das wäre reziprok, aber sie ist autonom, haha, passt zur Stadt. Andi meint, es kommt auf das Bewusstsein an, aber die wichtigste und charakteristischste Eigenschaft der geistigen Phänomene, die von Bewusstsein geleitet sind, werden von den Menschen auf der Erde nicht verstanden, weil es unmöglich ist, bei einer Reduktion der Erfahrung von deren phänomenologischen Eigenschaften in der selben Weise abzusehen wie das bei jeder x-beliebigen anderen Reduktion auch der Fall ist, äh....ok. So langsam kenne ich Andi, er gibt auf liebenswerte Weise gerne an mit seinem außerirdischen Intellekt. Ich glaube er will sagen, dass das Phänomen Zwillingsschwestern an die jeweiligen Subjekte gebunden ist und sie daher vom Bewusstsein als Zwillinge konstruiert oder reduziert werden, was noch lange keine geistige Verbindung herstellt, die man irgendwie erklären kann außer durch identisches Erbgut. Elise lächelt verwegen, blinzelt mir zu und sagt, sie würde mir jetzt gerne ihre Zimmerlinde (Sparrmannia) zeigen.

Dienstag, 19. November 2013

Penelope


Am Rheinufer lerne ich Penelope kennen, sie hat eine Zwillingsschwester die heißt Elise. Wir schnipsen flache Steine ins Wasser, zählen die Hüpfer und unterhalten uns über die Big Bang Theorie. Der Nebel hängt dick über den Ufern, die Dieselkähne schleichen tuckernd an uns vorbei. Penelope erzählt mir wie sie und Elise als Kinder immer verwechselt wurden und wie schwer es ist ihr eigenes Leben zu leben ohne es dauernd mit dem von Elise zu verknüpfen. Genau in diesem Moment würde sie mich sozusagen doppelt fixieren, immer auch mit den Gedanken der anderen und sie weiß dann oft nicht ob das nun ihre sind oder Elises. Penelope ist bezaubernd, in ihren Wimpern hängen winzige Tropfen, die zwischen ihrem und meinem Blick kleine Prismen glitzern lassen. Ob mir Elise in der gleichen Weise gefallen würde? Oder würden in ihren Augen andere Sterne leuchten? Wir gehen eine Weile mit dem Fluss, um uns entsteht eine Aura, die duftet zart nach Maiglöckchen (Convallaria majalis), erstaunlich für November. 

Sonntag, 17. November 2013

easy and elegant


Das Gute am Chaos ist dass es eine Ordnung hat. Die ist zwar zeitlich, räumlich und so nicht vorhersehbar und die Ausformung der Ordnung hängt empfindlich von den Anfangsbedingungen ab, und da ich nicht sagen kann, wann das Chaos angefangen hat und mein Beobachtungsvorgang sowieso prinzipiell unzulänglich ist, vertraue ich auf diese immanente Ordnung. Dies wird ein abstraktes Stück Text, das merke ich schon. Ins konkrete Detail gehen will ich nicht, weil ich das Chaos als diskretes System respektiere und ich heimlich die Hoffnung habe, dass sich die Ordnung bereits durch eine ungefähre Lösung, easy and elegant, herausbildet. Ja, ich liebe Ordnung: eine gewisse Übersichtlichkeit, die Erkennbarkeit einer regulären geometrischen Struktur oder die Schönheit komplizierter Muster wie etwa das der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica), die stolz und trotzig ausschließlich an unkultivierten Standorten gedeiht. Wahrscheinlich befinde ich mich noch im unendlich heißen und dichten Frühzustand, in dem räumliche Homogenität noch gar kein Thema ist. Doch das wird sich ändern. Wann und wie und wo ist ungewiss.

Freitag, 15. November 2013

hier und jetzt


Wenn ich am Küchenfenster stehe, den Blick auf das Siebengebirge richte und meine gesammelten Walnüsse knacke kommt es vor, dass ich in eine andere Dimension drifte. Den Trick hat mir Andi gezeigt, er hat mit Konzentration und Vorstellungskraft zu tun, davon habe ich mehr als genug. Eine physikalische Erklärung dafür gibt es nicht, weil es jenseits von Zeit, Raum und Materie geschieht. Diese Dimension hat keinen irdischen Namen, sie fühlt sich jedes Mal anders an, manchmal wie Musik die durch meine Venen fließt, wie Flügelschläge die meine Muskeln spannen oder wie Marsrot das in meinen Augen leuchtet. Ich weiß, das klingt jetzt wie diese Cyberfilme, die als brutale temporäre Gehirnimplantate Illusionen erzeugen, der sich alle körperlichen Funktionen und Gesetzmäßigkeiten unterwerfen, von denen man sofort süchtig wird und wie ein Zombie nur noch in dunklen Kellern rumliegt und intravenös ernährt wird. So ist es nicht. Ich bin mir meiner realen Umgebung durchaus bewusst. Neben mir steht der Ananasbasilikum (ocimum basilicum), sein fruchtiger Duft steigt in meine Nase. Lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die Nuss in meiner Hand bin ich wieder ganz im hier und jetzt. 

Mittwoch, 13. November 2013

Muster für später


Die angesagteste Bar am Rheinufer nördlich von Königswinter ist in einem Sternehotel, in dem auch schon Hillary Clinton übernachtet hat, weil auf dem Petersberg kein Zimmer mehr frei war. Unter der Woche ist dort nichts los, aber Hauptsache der Barkeeper ist da, denn er mixt die Drinks und weil wir angenehme Gäste sind, dehnt er die Happy Hour etwas aus, auf eigene Verantwortung. Er flüstert uns zu, dass der Geschäftsführer das nicht wissen darf und schiebt mir einen Mojito, ja klar mit frischer Minze (Mentha spicata), über den polierten Tresen. Ich kenne mich aus mit Geschäftsführern, das schreckt mich nicht. Das Hotel hat ein grauenhaftes Design, total aufdringlich, irgendwie plump und auffällig bunt. Mir gefallen aber die gemusterten Tapeten in den Gängen, die mein aufmerksames Gehirn als Muster für später abspeichert, wer weiß schon, wozu ich die mal gebrauchen kann. Zusammen mit dem Barkeeper probieren wir neue Minzcocktails aus, irgendwie schmecken die jetzt alle gleich. Wir fragen nach dem Hillary-Zimmer, es ist ziemlich teuer, eine Happy Hour dafür haben die nicht im Angebot und daher gehen wir am Rhein entlang nach Hause.

Montag, 11. November 2013

Feuer im All


Drei Astronauten tragen die Olympische Fackel durch das All aber sie brennt nicht. Sie halten also tatsächlich eine Stange aus kaltem Metall in den luftleeren Raum und sie ist kaum zu unterscheiden von all den anderen Metallstreben auf der International Space Station. Würden sie das Ding aus Versehen loslassen, reihte es sich ein in den Wirbel von Weltraumschrott, dem die Astronauten auszuweichen versuchen. Ich könnte die Russen fragen, wie die das jetzt mit dem Spirit von Olympia erklären, wenn kein Feuer im Spiel ist, aber ich frage Andi. Er sagt, die Symbolisierung menschlicher Bedeutungsebenen erfolgt durch gravitative Rückkoppelung, äh... ok. Feuer gibt es schließlich mehr als genug im All, überall brennt und verbrennt etwas, leuchtet und explodiert. Planet Erde würdigt dieses Feuerwerk mit der Sonnenblume (Helianthus), für mich als Pflanzenversteherin hat das genug Symbolkraft. Die drei Astronauten treffe ich übrigens heute zum Karnevalsbeginn auf dem Kölner Heumarkt, die sind total besoffen und die Fackel ist aus Pappmaschee. 

Samstag, 9. November 2013

uferlos


In meinem Traum bin ich an einem Fluss ohne Ufer. Zwar wehen Schilfwedel (Phragmites australis!) im Wind und meine Füße stehen trocken, aber trotzdem ist alles im Fluss. In der trägen Strömung schwimmen allerhand Vögel vorbei und Baumstämme wie Ozeanriesen, die sich ihren Weg bahnen, nichts kann sie aufhalten, denn das Wasser ist überall. Meine Funktion ist es hier zu sein und das Vorbei- und um mich Herumfließen aufzunehmen, dazu benutze ich ein Hightechgerät, das Andi mir gegeben hat. Es sieht aus und fühlt sich an wie mein Mobiltelefon und daher kann ich es aus dem Stand bedienen. Schaue ich auf das Display sehe ich Linien ausschlagen wie Herztöne, kommt eine Welle, wirft sich ein Matterhorn auf. Die ganze Nacht geht es auf und ab, eine Gebirgskette, die eigentlich ein Fluss ist. Bevor ich aufwache, weiß ich, dass das keinen Unterschied macht.

Freitag, 8. November 2013

Roofing


Meine Tochter, ihre Freundin und Shanti, ein Mädchen auf der Durchreise, haben in Australien Lachs gekauft. Den wollen sie für drei Jungs braten, die sie am Strand kennengelernt haben. Die sind echte Australier und lassen sich mit europäischer Kochkunst verwöhnen. Es sind gutaussehende Jungs mit sonnengebleichten Haaren, sie haben schon feste Jobs und wohnen zusammen in dem Haus, in dem die Mädchen den Fisch zubereiten. Sie kochen Bandnudeln mit Spinat und Sahne, krönen sie großzügig mit rosa Filets und wildem Dill (Anethum graveolens), den sie einfach aus der Hecke zupfen. Sie hören australische Gitarrenmusik, tauschen Songs von ihren iPods und trinken importiertes Bier. Würden die Mädchen am gleichen Tag im Haus die Bäder putzen, die Dielen schrubben, die Betten neu beziehen und die Autos waschen könnten sie bei den Jungs umsonst übernachten. Doch das machen sie natürlich nicht. Nicht hier. 

Mittwoch, 6. November 2013

unversehrt


Ich bin unversehrt aus dem Wald zurückgekehrt. Jedes Federwild hätte Schaden genommen, zerzaust, gerupft oder gebrochene Flügel davongetragen, aber ich bin ja kein Wild. Vielleicht bin ich wie Brody aus Homeland, das Gehirn gewaschen, den Gebetsteppich unterm Arm und bereit, meine Heimat zu verraten. Nö, viel zu pathetisch. Vielleicht bin ich wie Alice einmal durch den Kaninchenbau gerutscht und auf einmal können alle Tiere sprechen. Neee, viel zu märchenhaft. Vielleicht sollte ich das Erlebte mal auf die sanfte Weise betrachten, fernöstlich sozusagen: Ich habe mich der Selbstreinigung unterzogen in der Art des Lotos (Nelumbo), dessen genial nanomikroskopische Architektur in der Lage ist, jedes Körnchen Schmutz einfach abzustoßen. Dieses Wissen wird auch in der Weltraumtechnik angewandt, denn es gibt große Probleme mit dem mehligen Mondstaub, der sich einfach auf jeden und alles setzt und verstopft. Andi macht sich immer lustig über die irdischen Ingenieure, weil sie so schwer von Begriff sind. Für ihn ist es ein Kinderspiel, seidige Oberflächen herzustellen und sie Lotos zu nennen.

Dienstag, 5. November 2013

lost


Mir dämmert, dass ich eine Erkenntnisebene weiter bin. Einerseits freue ich mich, denn mir fallen keine Sachen mehr ein für die ich büßen sollte, andererseits habe ich mir noch gar nicht richtig überlegt, was genau ich wissen will. Ich folge einem Licht durch den dunklen Wald ohne mir über meinen mentalen Zustand weiter Gedanken zu machen. Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf diese Nachts-im-Wald-Kacke. Jetzt regnet es auch noch und mir ist kalt. Das Licht tanzt lustig vor mir her und ich denke unwillkürlich an ein Irrlicht, doch dafür ist es zu hell. Kein kleines Flämmchen mit der bösen Absicht mich im Siebengebirge in die Irre oder an einen Abgrund und somit in den Tod zu führen. Mein Schuh bleibt in einem Matschloch hängen. Soll ich hier stehen bleiben oder was. Das ist ein doofes Spiel, ich mag nicht mehr. Ich sehe dem flackernden Licht hinterher das immer kleiner wird bis es schließlich ganz verschwindet. Ja toll ich bin echt die Heldin in diesem Stück. Um mein Bewusstsein zu schärfen, kaue ich einige Hagebutten (Rosa canina)

Sonntag, 3. November 2013

folge dem Licht


Ich erklimme drei Gipfel. Der letzte ist recht unscheinbar, überhaupt nicht eindeutig und obwohl ich der R-Markierung gefolgt bin (R für Richtiger Weg oder?) kommt es mir nicht so vor, als hätte ich mein Ziel erreicht. Dabei gebe ich mir wirklich Mühe, ich renne auf nassem Laub bergauf, ich denke an die Dinge, die ich nachdem ich sie gedacht habe vergessen will und dann sehe ich plötzlich ein Licht im Wald. Es ist hell wie der Strahl einer guten Taschenlampe und flackert da hinten im Dickicht herum. Ich gehorche der Regie eines Blockbuster-Horrorstreifens und folge dem Licht. Mutig bin ich, aktiv und mit vollem Bewusstsein bereit für das Abenteuer, gerne auch verbunden mit seelischem und körperlichem Schmerz, z.B. von zu heftigem Kontakt mit Stechpalmen (ilex aquifolium). Die kognitive Verarbeitung von durchschrittenen Landschaften und ihrer Mühen, von gesellschaftlichen Events und ihrer Absurditäten, von den wechselnden Stadien konditionaler und emotionaler Stabilität brennt sich in meine Synapsen ein. Ich agiere streng nach dem Motto past behavior predicts future behavior. Meinen Mut kann ich immer ein wenig steigern, denn jedes Mal überschreite ich eine Grenze, die weh tut. Ich will wissen, was diese Grenze mit mir macht. Es sind ganz banale Dinge wie zu wenig Wasser mitnehmen oder zu weit rausschwimmen, wenn ich den point of no return nicht kenne. Jetzt folge ich dem Licht.

Samstag, 2. November 2013

schwerelos


Andi gibt mir Sternenstaub von seiner Heimat und zeigt mir wie er wirklich aussieht. Ich bin geblendet von seiner Schönheit, sie ist nicht von dieser Welt. Sein astraler Körper ist stark und geschmeidig, seine Augen tief und unergründlich. Vielleicht werde ich sie eines Tages lesen können so wie er meine Gedanken. Er weiß dass seine Berührung mich um den Verstand bringen kann. Auch er fühlt die Anziehung die er sonst nur von Planetensystemen kennt und der er dort draußen mit Leichtigkeit begegnen kann. Hier auf der Erde versucht die Schwerkraft alles an sich zu reißen und zu Boden zu werfen. Aber mit Andi kann ich schweben, also schweben wir ein wenig herum und da ich ungeübt bin, stoße ich mit ungelenken Bewegungen an meine Möbel und hole mir überall blaue Flecken. Ich steche mich an der blöden Yuccapalme (Yucca) die ich noch nie leiden konnte und einige Tropfen Blut fallen auf den Teppich. Andi lacht.

Freitag, 1. November 2013

subatomar


Meine Tochter, ihre Freundin und ich am Strand von Australien – neeee, ich bin ja gar nicht dabei, ich bin ja hier in Königswinter und schaue zu, wie jetzt im November die Pflanzen verwelken. Aber in meinem Kopf ist etwas Heißes, das könnte die südliche Sonne sein oder der Westwind, der die kleinen Teilchen um den halben Erdball auf meine Netzhaut weht. Schließe ich die Augen sehe ich Dünen, rieche Salbei (Salvia officinalis) und schmecke Salz. Andi sagt es ist schade, dass außer einer Handvoll Physikern die Leute auf der Erde die subatomare Ebene nicht ernst nehmen. Es gibt immerhin neben Quarks, Leptonen und dem Higgs zwölf bisher identifizierte Arten von Austauschteilchen für Kraftfelder. Für uns Erdbewohner gelten die Effekte der fundamentalen Wechselwirkungen als unbeobachtbar, aber Andi kann sie mit bloßem Auge sehen und ich kann sie fühlen, diese Energie. Ein Teil von ihr zieht weiter, ein Teil von ihr bleibt in mir.