In meinem Herz singt eine Nachtigall, etwas schräg, sie hat
einen gebrochenen Flügel. Wenn sie im Morgengrauen durch die dunklen Hohlwege
im Siebengebirge fliegt, dann ist sie ein wirbelnder Schatten mit einer
großartigen Stimme, sie streift die umgekippten Silberbäume (Sorbus aria), taumelt, rafft sich
wieder auf, hebt talwärts ab und schafft es gerade noch an mein Fenster. Ich
nehme sie auf, schiene den Flügel, glätte die Federn und setze sie behutsam auf
meine Frisierkommode. Ihre Augen glänzen im Spiegel, aus ihrer Kehle dingt ein
heiserer Ton, ihre Krallen ritzen kleine Kratzer in den Marmor. Im Schein der
Kerze lese ich James, ist das etwa ihr Name? Ich dachte alle Nachtigallen wären
Mädchen, aber okay, es ist eine stereotype Annahme, dass die dann auch wirklich
weibliche Namen tragen. James ist eigentlich ganz schön, irgendwie britisches
Understatement, wer kann schon von sich sagen, hey ich kenne eine Nachtigall,
die heißt James und singt in meinem Herz.
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