Montag, 7. September 2009

Lämmersalat

Kann sein, dass die Einheimischen das ansonsten fast völlig unbekannte Elisental kennen, ein Seitental der Sieg auf der Höhe von Schladern, einem dieser Orte, an dem nicht einmal griechische Restaurants überleben. Das Tal macht einen merkwürdig verlassenen Eindruck. Mit den Ruinen der Pulverfabrik, die über einen Kilometer berauf im Dickicht verstreut stehen, ist es abschnittsweise sogar unheimlich. Dann nämlich, wenn schwarze Öffnungen direkt in den Berg führen und wir vom Weg nicht erkennen können, wie weit es da rein geht.

Die Pulverfabrik ist vor ungefähr 100 Jahren explodiert, das Schwarz- und Schießpulver hat sich in die Reste des Mauerwerks eingebrannt. Durch die verlassenen Fabrikgebäude fließt ein Bach, der sich in Senken zu moorigen Tümpeln staut. Wir laufen den Weg entlang, hören nur das Summen der Bienen in der Sumpfvegetation, zählen die absurd orangefarbenen Nacktschnecken auf dem feuchten Boden und staunen über abertausend Minifrösche, die sich im Mulch tummeln. Die Rindenreste liegen in großen geordneten Inseln am Wegrand und duften nach Holz. Es gibt für die Spaziergänger/innen, die hier nicht hinkommen, zwei Schautafeln. Sie geben einen Überblick über den Bachverlauf im Elisental und markieren die Überreste der Pulverfabrik, deren Mauern über einen Meter dick sind. Dreißig Männer haben hier während der vorletzten Jahrhundertwende gearbeitet, haben aus Schwefel und so Schießpulver hergestellt, bis ihnen die Fabrik um die Ohren geflogen ist.

Der Blick in den Wald ist nur kurz, er ist finster und feindselig. Schnell wende ich die Augen wieder ab und trotzdem verfolgen mich die grausigen Möglichkeiten dieser Schwärze mehrere Tage und Nächte. Zu viele Thriller, Science Fiction und Vampirromane? Hier sind wir, allein im Wald, leichte Beute! Ich schwinge meinen Stock über die Gräser, versuche es mit Ablenkung, Pflanzen bestimmen. Bleibe beim Lämmersalat (Arnoseris minima) hängen, das baut mich jetzt auch nicht auf.

1 Kommentar:

  1. Ich muss sagen du schreibst immer wieder fantastisch. Vor allem der letzte Absatz gefällt mir sehr gut

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