Dienstag, 29. September 2009

Fellverhältnis

Zwei Leopardenweibchen sind in die Regionalbahn eingestiegen. Verdutzt schauen die Leute auf, draußen dämmert es. Die Leopardenweibchen nehmen Platz und ziehen ihre Leopardenmäntel aus. Darunter tragen sie Leopardenkleider, etwas unterschiedlich gemustert, das Kleid des einen Weibchens hat größere Leopardenflecken und ist gelber im Grundton. Beide Weibchen sind blond bzw. blondiert und haben stark mascarierte Wimpern. Die Augen glotzen dadurch ein wenig. Spontan erinnern sie mich an Fratzenorchis (Aceras anthropophorum), eine stark gefährdete Orchideenart.

Sie fragen den Schaffner, der sich vorsichtig heranpirscht, ob der Zug bis nach Koblenz fährt. Aber der Zug fährt heute nur bis Linz und dann müssten sie auf dem Bahnsteig eine halbe Stunde warten. Der Schaffner geht einen Schritt zurück, vielleicht aus Angst vor einer Aggression. Aber die Leopardenweibchen sind ganz freundlich und sagen, das macht ihnen nichts aus. Sie hätten ja ihre Leopardenmäntel. Dann unterhalten sich die beiden angeregt in ihrer Leopardensprache. Die Leute schauen absichtlich weg, müssen aber immer wieder hingucken, weil Worte wie Fellverhältnis, Fleckensalz und Fertigbeute in der Luft hängen. Das eine Leopardenweibchen öffnet seine karierte Burberrytasche, holt ein kleines Döschen heraus und streicht sich behutsam etwas Tigerbalsam auf die samtige Schläfe

1 Kommentar:

  1. Die schön beschriebenen Leopardenweibchen sind die Art von Frauen die trotz ihrer ganzen Plastikschale bei vielen total gut ankommen ? Warum ? vieleicht weil manche denken: Lieber künstlich "schön" als natürlich hässlich ? ich weiß es nicht.Auf jeden Fall muss man sie öfters angucken auch wenn sie einen selbst mit keinem blick würdigen. Die haben bestimmt später im Käfig getanzt, mit ihren Leopardenkleidern.

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