Dienstag, 23. Februar 2010

Schneewittchen

Ich schippe Schnee vom Dach. In hohem Bogen werfe ich ihn in die Tiefe, wo er mit einem dumpfen Hump! aufprallt. Am liebsten würde ich hinterherkotzen. Über das Geländer hinunter in den Hof. Bin so wütend. Ich ziehe die Handschuhe aus und schaufle weiter, bis ich Blasen an den Händen habe. Ah. Endlich ein Schmerz, für den ich selbst verantwortlich bin. Unter der Haut sammelt sich Blut, sieht echt krank aus. Ich hole einen Nagel und steche mir die transparenten Schwielen auf, rotes Blut auf weißem Schnee. Schneewittchen. Dann nehme ich die Schaufel wieder auf und mache weiter. Ein Idiot schreit was hoch zu mir, in dieser Stadt schreien immer alle. Was will der Typ. Ich schleudere eine Ladung Eisbrocken in seine Richtung. Der Kerl brüllt. Ich lache, weil ich hier oben sicher bin und weil er mich ohne diese Mütze nicht wiedererkennen wird. Nach zwei Stunden stehe ich im T-Shirt auf dem Balkon und kann meine Arme nicht mehr bewegen, die Kippe in meiner Hand zittert. Brauche gemeinen Wundklee (Anthyllis vulneraria), damit die Löcher nicht eitern. Der Schnee ist weg. Endlich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen