Montag, 24. August 2009

Eisenkraut

Der Absprung vom Berg ist unspektakulär. Wir breiten den Schirm fächerartig hinter uns aus, hoffen, dass kein Idiot über die Schnüre stolpert und rennen mit kräftigem Schritt den Abgrund hinunter, das Geröll in den Berg stampfend, die Kräuter zermalmend. Dann hat sich der Wind schon unter das Hightech-Material geschoben und lässt uns über die Tannen driften. Wir schrauben uns auf den Wogen der Aufwinde immer höher in die Luft. Ein erhabener Moment, schließlich fliegen wir.

Das Fliegen ist laut, der Wind rauscht in den Ohren, er rüttelt am Schirm und am Anorak, pfeift und ächzt und dröhnt. Als wolle er sich beschweren, dass wir bequem in diesem Flugsessel sitzen, Businessclass sozusagen, und uns unbeschwert, aber auf seine Kosten, ein bisschen nach oben und dann wieder ein wenig nach unten bewegen. Wir gleiten über die Baumwipfel und erkennen die Isar als silbernes Band unter uns. Später werden wir an ihrem Ufer auf die Schirme nach oben gucken. Ich tauche meinen blassen Fuß in das eiskalte Wasser, bei der Landung auf der Viehwiese habe ich den Knöchel verstaucht. Wir dachten, wir könnten mal so easy aufsetzen und haben uns dann zum Vergnügen der anderen Fluggäste, die schon weich gelandet waren, im Geschirr verheddert und überschlagen. Die Schmach in unseren Gesichtern hat der rote Schirm zugedeckt.

Die Kiesstrände der Isar zwischen Lenggries und Bad Tölz sind Südsee. Die Hitze über den Kieseln flimmert, Lethargie macht sich breit. Der Fuß ist im Wasser gefühllos geworden, der Blick auf den bayernblauen Himmel und die grüne Strömung brennen sich ins Gehirn. Im Schutt liegt verwaschenes Treibholz, dazwischen reckt sich Eisenkraut (Verbena officinalis). Es dämpft psychogenen Kopfschmerz und leichte Trigemus-Neuralgie. Für mich genau das Richtige in diesem Moment.

1 Kommentar:

  1. Unspektakulär- das waren glaub ich meine Worte. Was nicht ganz der Wahrheit entspricht, aber wahrscheinlich sind wir einfach zu actionreich programmiert. Es war schon sehr bereichend mal über allem zu stehen, mit der Nase im schönen Himmelwind zu schnuppern und fast gegen ein paar Felsen zu fliegen.
    Die Kiesstrände waren wirklich wunderschön und dieser grüne Fluss wirklich ein lohnender Anblick. Außer die wilde Kanutour ließ zu wünschen übrig.

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