Dienstag, 15. Juni 2010

Zimmer 313

Mein Balkon geht auf den Pool, weiter hinten sehe ich das Meer. Die Luft ist grau, das Meer ist grau, der Strand ist grau, die Straßen sind staubig und heiß. Der Pool ist blau an grünem Ficus (Ficus benjamina). Ein prächtiges Exemplar, acht Meter hoch, kunstvoll gestutzt und mit Papierlampions geschmückt. Sein volles dunkles Laub glänzt wie nach einem Regen, doch es regnet hier monatelang nicht. Wenn ich zurück in mein Büro komme, schmeiße ich als erstes meinen Ficus raus. Der hat in Berlin nichts zu suchen und so sieht er auch aus. Mager, trocken, zerrupft, einsam. Ein Migrant. Viel zu dunkel, viel zu feucht und viel zu kalt ist es für ihn. Seit acht Jahren steht er bei mir rum und ich habe den Eindruck, sein Zustand wird immer schlechter. Jetzt, wo ich seine natürliche Umgebung sehe, kriege ich Schuldgefühle. Was habe ich ihm nur angetan? Einfach raus in den Biomüll erscheint mir nun als Lösung etwas hart. Ich könnte ihn stutzen und mit Lampions behängen. Neue Erde geben und eine Sonne an die Scheibe kleben, wo er steht. Mehr kann ich nicht tun.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen