Dienstag, 29. April 2014

Goldlack


Seit ich die goldenen Haare habe fühle ich mich richtig gut. Alles geht leicht von der Hand als wäre ich verzaubert. Bin ich verzaubert? Wer mich sieht lächelt mich an und einige fragen mich wie der Goldton meines Haars heißt. Cool. Das kann man kaufen also bin ich nicht verzaubert. Wäre auch blöd, denn ich will dass diese Phase real ist auch wenn sie nicht lange anhält. Schnell wird es mehr Frauen mit diesem Gold geben, vielleicht auch einige mutige Männer und dann guckt niemand mehr so neugierig. Es ist ja sowieso nur eine Stylingvariante von vielen, die ich demnächst noch ausprobieren werde und auf die ich mich freue. Ich will aber jetzt noch nicht daran denken sondern den Glanz genießen, der sich von dem äußeren Schein ins Innere absetzt. Ich ahne, dass die kleinen Goldpartikel viel länger durch meinen Körper flitzen als die Farbe auf meinem Haar hält. So als lackierten sie mich von innen. Goldlack (Erysimum cheiri). In der Blumensprache steht Goldlack für Sehnsucht bzw. „Ich sehne mich nach dir“.

Sonntag, 27. April 2014

glamour oder cool


So heißen die beiden Goldtöne zwischen denen ich mich entscheide. Seit ich die Stylistin kenne weiß ich dass es verschiedene Goldtöne gibt. Davor war alles einfach Gold. Obwohl ich natürlich schon Weiß- und Rotgold kenne, dieses Wissen aber nur mit Schmuck in Verbindung bringe und da ich keinen Schmuck trage, ist das irgendwie ein Wissen aus der Vergangenheit. Sie empfiehlt mir Gold zu meinem Teint. Sie will dass ich andere Farben trage als bisher, das ist nicht so schwer denn eigentlich war das hauptsächlich schwarz. Dass mir blau nicht steht weiß ich schon. Blau macht mich blass. Es zieht die Farbe aus meinem Gesicht. Alle Arten von Blau. Rot ist mir sowieso lieber, da kann ich sogar auf der Hautoberfläche spüren wie es wirkt. Die Energie fließt aus einer unerschöpflichen Quelle unentwegt aus mir heraus und bildet eine fette rosa Aura. Ich bin froh, dass andere sie nicht sehen können. Rosa wie rosa Rosen (Rosa canina), aber sie duftet nicht. Ich kann nur meine eigene Aura sehen und die nur von innen, die von anderen sehe ich nicht. Manchmal ist meine so groß, dass ich lieber auf Distanz gehe, damit ich sie nicht irgend jemandem versehentlich überstülpe. Wer will das schon. Ich entscheide mich für cool.

Montag, 21. April 2014

verflochten


„Mir gefällt was du gerade spielst.“
„Einsame Blumen von Schumann.“
„Interessanter Titel, er war wohl auch ein großer Poet.“
„Du überlegst jetzt wahrscheinlich, welche Blumen er im Sinn hatte, oder?“
„Vielleicht Buschwindröschen (Anemone nemorosa), die blühen gerade überall.“
„Magst du das Stück Verrufene Stelle hören? Das hat auch eine Verflechtung zu Blumen.“
„Hm, düster und melancholisch. Weißt du, dass musizieren und dichten die gleichen Netzwerke im Gehirn aktiviert?“
„Echt?“
„Ja, wenn ich durch den Wald laufe und wohlklingende Schachtelsätze konstruiere, habe ich Musik im Kopf.“
„Und wenn du rennst drohen dich die Stabreime zu erschlagen.“
„Bleibe doch lieber romantisch.“
„Okay, hör gut zu. Eine kleine Elfe für dich.“

Donnerstag, 17. April 2014

vorzugsweise rot

Langsam löse ich mich aus der nächtlichen Umklammerung und betrachte die Sonnenpunkte auf meinem Arm. Gold. Licht. Meine Gedanken ziehen zum Fluss und strömen mit ihm zur Mündung. Das Meer rauscht im Wind. Meine Träume surfen auf der Brandung und versprühen dann. Zum Frühstück gibt es Gelächter und ein Funkeln in den Augen, Müsli mit Kokosflocken und den besten Kaffee der Welt. Mein Körper ist leicht wie eine Feder und schwebt gegen jede Regel weit über der Erde. Von oben sieht die Idylle aus wie sie sich unten anfühlt. Ich gehe wieder runter. Es gibt keinen harten Boden der Tatsachen. Die Landung ist weich. Ich kenne die Gegend und sie kennt mich. Neben all den Palmen, die über Nacht gewachsen sind, blühender Flieder (Syringa vulgaris) in den Farben blau über rot bis weiß, vielfach verwildert, Blätter herzförmig, schnitzbares Holz, gut polierbar. Gut gemischt ergeben diese Zutaten ein duftendes Fliederbett, vorzugsweise in Rot.

Dienstag, 15. April 2014

Déjà-vu


In der Haarnadelkurve blitzt kurz etwas auf, eine Kupfermünze. Als ich sie fast berühre bewegt sich etwas in meinem Augenwinkel und ein Déjà-vu schüttelt mich. Es ist ein heftiges Déjà-vu, eine Begegnung mit etwas Wildem. Verwirrt richte ich mich auf und schaue mich um. Nichts. Wahrscheinlich nur ein Produkt meiner Phantasie. Vielleicht auch ein Fragment aus der Erinnerung oder eine ungeordneter Mix aus dem Kurz- und Langzeitgedächtnis. Warum gaukelt mir mein Gehirn das Wilde vor? Will es mich täuschen, indem es mit meinen kostbaren Schätzen jongliert. Es denkt wie immer es sind auch seine und will mal wieder alles teilen. Manchmal geht mir seine symbiotische Anhänglichkeit ganz schön auf die Nerven. Wobei, die Déjà-vus haben schon ihren speziellen Reiz, das muss ich zugeben, vor allem, wenn mein Körper kurzfristig von Gänsehaut überzogen wird. Meine Augen scannen den Boden nach Wiederholung ab, doch sie sehen nur einen Teppich aus Glücksklee (Oxalis tetraphylla).






Donnerstag, 10. April 2014

Roter Apollo


Intelligenz braucht eine stimulierende Umwelt, sonst kann sie sich nicht entwickeln, das gilt auch für Hunde. Die schlaue Frau hat einen klugen Hund, weil sie immer zusammen unterwegs sind. Zum Beispiel dort im Siebengebirge, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, das Wild über die Wege wechselt und der Hirsch röhrt. Auf den kleinen Pfaden, wo sie mit viel Glück dem roten Apollo begegnen, diesem stark bedrohten und streng geschützten Schmetterling aus der glamourösen Familie der Ritterfalter. Für die Frau und den Hund ist der Falter tabu; sie erfreuen sich an seinem Anblick und sollte gerade zufällig eine Läuferin wie ich vorbeitraben, passen sie auf dass ihm nichts passiert. Sie stellen sich wie eine Mauer vor die Frauendistel (Carlina acaulis) und lassen ihn in Ruhe Nektar saugen. Wen kümmert es schon, dass die Distel früher für die Behandlung von Schweinekrankheiten eingesetzt wurde, das ist nur so eine Spezialinformation für intelligente Hundebesitzerinnen.

Montag, 7. April 2014

Markenmelone


Ich liebe diese Inszenierung. Paul Spinat, prominenter und stolzer ehemaliger Eigentümer von Schloss Drachenfels, fährt mit seinem goldenen Rolls Royce durch das Siebengebirge. Neben ihm sitzt Andy Warhol und im Fonds seit neuestem Lady Gaga. Wer das nicht mit eigenen Augen sieht, glaubt die Geschichte nicht. Aber sie ist wahr, okay, abgesehen von Lady Gaga, die ist sozusagen das Zugeständnis zur Gegenwart und absolut stimmig. Paul Spinat trägt einen seiner vielen Hüte, eine Melone und versucht in schlechtem Englisch Konversation zu machen. Das Bad English stört die Stars nicht, sie sind es gewöhnt. Außerdem sind sie hin und weg von der Schönheit der blühenden Streuobstwiesen und äußerst kreativ im Versuch, dieses schwierige Wort im Original auszusprechen. Sie legen ihre Picknickdecke unter einen Kulturapfelbaum (Malus domestica), blicken in den weißgetupften Himmel und schlürfen Pauls Spezialcocktail. Selten ist ihnen eine Ruhe wie diese vergönnt, eine Idylle, die sich tief in ihre Herzen senkt und die sie dazu bewegen wird, der Einladung Spinats auch nächstes Jahr zu folgen.

Donnerstag, 3. April 2014

Reiseis


Die totale optische und auch ansonsten kognitive Täuschung ist Reiseis. Das nach Rosenwasser duftende Häufchen Halbgefrorene verspricht eine zarte Berührung mit der Zunge. Die weiße Farbe suggeriert Reinheit und Unschuld, die gedankliche Verbindung von Reis mit Süß weckt Kindheitserinnerungen an Mamas Milchreis (das ist nicht für alle eine schöne Erinnerung, ich weiß). Ich sitze also mit meinem Freund, dem Ex-Banker im Gartenlokal und freue mich wie eine Prinzessin auf das Dessert. Ich kann die Augen gar nicht von ihm abwenden, denn er trägt seine Haare jetzt schulterlang und sieht aus wie früher Winnetou. Ich habe Winnetou geliebt. Und irgendwie mag ich lange Haare bei Männern, aber natürlich nur wenn sie glänzen wie die Blütenblätter der vortrefflichen Tulpe (Tulipa praestans). Die Leute, die an unserem Tisch vorbei gehen, schauen uns an. Jetzt wird das Reiseis serviert. Der erste Bissen bleibt mir im Hals stecken, mein Gehirn rebelliert. Spuck aus! brüllt es, doch meine Manieren siegen und ich schlucke einmal. Die Kellnerin schickt den Koch raus, der erklärt die Authentizität der Nachspeise und der Ex-Banker muss sich beherrschen ihm nicht das Tellerchen auf die Schürze zu schmieren.