Dienstag, 25. Januar 2011

Real life

Mitten in meiner konzentrierten Büroarbeit klopft es heftig an die Scheibe. Eine Frau will rein. Ich winke ab, schließlich ist das hier Kreuzkölln. Doch sie lässt nicht locker, zieht eine Metallmarke aus ihrer Tasche und hämmert damit an die Tür. OK, das ist eine Polizeimarke, sieht billig aus. Ich lasse sie rein. Observierung sagt sie nur und ich nicke stumm. Schaue zu, wie sie von hinter meiner nicht mehr ganz blickdichten Birkenfeige (ficus benjamina) die andere Straßenseite beobachtet. Dann spricht sie leise in ihre Jacke. Ein Mann kommt aus dem Torbogen gegenüber, was er in den Händen hat, kann ich nicht erkennen. Ich sitze wieder an meinem Rechner und tue so, als würde ich ganz normal hier sitzen so wie jeden Tag ohne dass die Kripo neben mir steht und sich auf eine Schießerei vorbereitet. Der Mann geht zu einem Auto. Mist, der hat ein Auto, sagt die Frau und rennt unauffällig auf den Mittelstreifen, spricht dabei wieder in ihre Jacke und gibt dem Kollegen, den ich nicht sehen kann, das Kennzeichen durch. Das Auto fährt weg, und jetzt?

Mittwoch, 19. Januar 2011

Vollmond

Meine Tochter fragt mich ob ich vergangene Nacht geschlafen habe, ja klar, bin kein Werwolf. Aber sie fragt mich so etwas sonst nie und daraus schließe ich, dass sie nicht geschlafen hat. Das ist so ihre Art - über zwei Ecken, drei Blumen und in fürsorglichem Ton mitteilen, dass sie etwas zu erzählen hat. Sie sagt es war ja Vollmond aber das war nicht der Grund warum sie nicht geschlafen hat. Sie hat die ganze Nacht SMS-Seelsorge für ihre Freundin betrieben. Sonst fällt ihr irgendwann das Telefon aus der Hand aber dieses Mal nicht. Für diese eine Nacht hat sich die Flatrate für ein ganzes Jahr gelohnt, außer, dass beide morgens mit schweren Lidern in die Schule sind. Ich finde das natürlich nicht gut, aber was weiß ich schon. Damals stand das Telefon noch auf dem Flurschränkchen neben dem Gummibaum (ficus elastica) und die Schnur war einen Meter lang. Ich erkundige mich diskret nach dem Inhalt der Kommunikation und erhalte einen Antwort, die ich hier ohne mit der Wimper zu zucken wiedergeben könnte – so allgemein, unverbindlich und oberflächlich, dass ich mich nicht getraue, weiter zu bohren. Ich ziehe meine rechte Augenbraue hoch, weil ich das gut kann und nicke stumm.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Billige Drinks

Es gibt so viel zu reden. Aber wir wollen auch essen und danach etwas trinken. Ich stehe also an der Kreuzung und warte auf sie, es ist nicht mehr so kalt. Direkt hinter mir ist ein italienisches Restaurant, in das ständig Leute strömen, ich kenne es nicht. Amici Amici. Als meine Freundin dann kommt, blond, jung und schön, lassen wir uns auch da hineintreiben. Natürlich ist kein Platz mehr frei, aber der Barmann mixt fix zwei Spritz und wir bestellen gegrillte Pulpi. Oberlecker, auch wenn wir direkt neben der Abzugshaube sitzen und ein gut Maß Fett abkriegen. Schnell raus hier, bevor die Klamotten stinken. Im Kiez ist ein Mexikaner, da sind ab sieben die Drinks billig. Vorsichtig nippen wir an den Getränken, Himmel! Gut! Es wird ein schöner Abend, auch ohne die Rosen (Rosa), die uns der Inder verkaufen will.

Dienstag, 11. Januar 2011

Venezia


Mit dem Schnee ist auch Andi wieder verschwunden. Er ist in den Abendhimmel zwischen Venus und Mondsichel geflogen. Ich habe ihn gebeten nicht so lange wegzubleiben. Doch Zeit ist für ihn nicht das Gleiche. Je weiter er sich entfernt, desto höher steigt das Wasser, tritt über die Ufer, überschwemmt die Promenade. Meine Tochter, ihre Freundin und ich laufen durch die braune Brühe, es sieht aus als liefen wir darauf. Mama, warum geht er immer? Er ist nett. Es ist besser wenn er geht und dann wieder kommt. Ich habe dann mein eigenes Leben zwischendurch. Wäre er hier, würde ich meinen Kalender mit ihm abstimmen. Ist das schlimm? Nein, aber ich will das nicht. So ist es einfacher. Die Mädchen schauen mich zweifelnd an. Wirklich? Wir gehen ins Venezia Eis essen, das hat jetzt seinen Namen verdient und schauen den Enten nach, die durch die Gassen schwimmen. Ich denke an gelbgrüne Algen (Xanthophyceae).

Mittwoch, 5. Januar 2011

grell

Nach der Finsternis gestern scheint die Sonne umso heller. Im Park gleißt der Schnee. Ich trete für meinen Weg in die Fußstapfen von gestern und werde prompt in diese Zeitschleife geschleudert, in der ich seit Wochenbeginn hänge, wenn ich das Büro verlasse. Es ist immer das gleiche Schema: Ich gehe raus, biege ab in die halbvereiste Hasenheide und wundere mich über die gähnende Leere und die absolute Stille. Heute treffe ich Andi hinter dem Eichhörnchenbaum. Endlich kann ich ihn fragen, was hier im Park los ist und warum sich die Menschen fernhalten. Immerhin scheint heute die Sonne, da gibt es für umsonst Vitamin D. Andi meint, es läge daran, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin. Dort würden die Kinder immer rausgeschickt zum Spielen, egal welches Wetter ist. Und das sei bei den Stadtmenschen eben anders. Die schieben dann höchstens mal die Gardine zur Seite, erschrecken sich aber wegen des grellen Lichts. Und die Vitamine gibt es schließlich auch im dm-Markt zu kaufen. Sei doch froh, dass du den ganzen Park für dich alleine hast. Er grinst und sieht schön aus mit seiner wuscheligen Angoramütze. Aus einem der Büsche tritt ein Mann und fragt freundlich, ob wir ein Hanfprodukt (Canabis) kaufen wollen.

Montag, 3. Januar 2011

Riecht gut

Warum teure Aufputschpillen kaufen, wenn der Effekt genauso mit Badesalz hergestellt werden kann? Fragen mich meine Tochter und ihre Freundin. Oder mit Raumspray, febreeze und wie die alle heißen. Ich finde das eklig und die Mädchen eigentlich auch, aber nach ein paar Gläsern Champagner(!) kommt der Zitrusduft ganz gut. Oder Bergamotte (citrus bergamia), Lavendel (lavendula), Tanne (abies) und Atlantik. Nee. Atlantik nicht, das ist wie WC-Reiniger. Den trinken sie anscheinend noch nicht, aber probiert haben sie ihn wohl. Ich will die Details nicht wissen. Ich würde glatt meine Toleranzgrenze verschieben  angesichts dieses Trends zugunsten von Jägermeister in Richtung mag ich nicht aber wenn es den anderen schmeckt? Eine Alternative ist die braune Brühe aber auch nicht. Auch wenn Kräuter drin sind, Mama. Haha. Da ich meine Tochter und ihre Freundin ganz gut kenne, glaube ich nicht, dass diese Phase länger als drei Wochen anhält. Vielleicht nochmal ein Rückfall zu Karneval, aber danach ist Schicht. Und wenn nicht, dann schleppe ich die beiden lieber zu Douglas, wo sie sich mit Prada und Gucci einsprühen können, das riecht immer noch besser als diese Brisen.