Samstag, 28. August 2010

Fort

Sie sind wieder weg. Meine Tochter und ihre Freundin haben die meiste Zeit auf dem Alexanderplatz verbracht. Irgendwie sind sie immer wieder da gelandet, zwischen den Ständen wie ein jahreszeitverirrter Weihnachtsmarkt, der Weltuhr (die sie wahrscheinlich nicht gesehen haben) und den Artisten aus aller Welt. Zwischen den kümmerlichen Pflanzenkübeln mit Resten von Gemeiner Graukresse (Berteroa incana) stehen Portaitzeichner mit der berühmten Notre Dame Wischtechnik, Hennatatooisten, Wurst- und Drogenverkäufer  und natürlich die Straßenmusiker, zwei Jungs aus Irland, die sich Jupiter soundso nennen. Der eine, Conner, trommelt auf einem leeren Karton aus dem dm-Markt und sein Freund spielt Gitarre. Hört sich gut an, chillig. Die Mädchen möchten die CD kaufen und gehen hin, dann lachen sie verlegen, drehen sich um und rufen Mama! Ich wickle das Geschäft ab, weil sich das Schulenglisch sich in die hintersten Ecken der Mädchengehirne verkrochen hat und nicht rauskommen will, außer bei Who killed Bambi.

Montag, 23. August 2010

Holz aus Glas

Ich klopfe auf Holz uns es klingt nicht so als würde es Glück bringen. Es hört sie vielmehr nach dünner Glasdecke an, nach Hohl- und Leerraum. Auf die Designermöbel ist kein Verlass mehr. Sie sehen aus wie massive Buchenplatten und sind bedrucktes Glas. Welchen Sinn hat diese Täuschung? Vielleicht der philosophische Hintergrund des Künstlers, nichts ist wie es scheint. Trompe-l´oeil an den Wänden, die Perspektive verspricht, wo keine ist. Oder ist auch das Klopfen auf Glas schicksalbegünstigend? Mit meinem Fake Diamantring ritze ich kleine Kratzer in die Oberfläche. Kann nicht schaden, wenn ich mich hier verewige, auch in Stämme werden Herzen geritzt, die Jahre später einige Meter weiter nach oben gewachsen sind. Dieses Glas wird sich nicht bewegen, höchstens zerschlagen werden, eingeschmolzen, neu designt. Das ist immer der letzte Trost: Wir bewegen uns in der immer gleichen Massen von Materie, sie nimmt nur andere Formen an. Mein erster Goldfisch ist nun Sand am Strand von Helgoland, rostiger Flecke auf dem Zahnputzbecher und Wurzel der gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis).

Freitag, 13. August 2010

Bambi on Ecstacy

Meine Tochter und Ihre Freundin verbringen ihre Ferien in Berlin, wo es an jeder Ecke Tatoostudios gibt. Man kann in den schwarzen Sesseln chillen, während die Nadel die Umrisse eines kleinen süßen Rehleins in die Haut ritzt. Bambi ist in. Ausschnitte aus dem Kinderfilm von anno wasweißich laufen auf Youtube. Die Kinderstimme kommt mir bekannt vor, sie sagt Vokabeln aus vergangener Zeit, prima, dufte und ja, Mama. Wahrscheinlich eine tief vergrabene Erinnerung in den hintersten Windungen meines Gehirns. Als der Film rauskam, hatten wir zuhause noch einen Schwarzweiß-Fernseher und auf der Fensterbank stand ein Gummibaum (Ficus elastica). Der Tatooist trägt die Farben auf, rehbraun und kohleschwarz. Die Mädchen zucken nicht mit der Wimper. Nur eine kleine Tränenperle rollt über ihre Wangen.

Donnerstag, 5. August 2010

Reeking Hell

Es riecht nach nassem Hund. Auch die zweite Hälfte des Traumsommers wird von widerlichen Gerüchen begleitet. Schon mal an feuchten Margeriten (Chrysanthemum leucanthemum) geschnuppert? Habe mich gefreut über den ersten Regen, der in dicken Wolken aus Westen heranrollte. Nun hört es gar nicht mehr auf und der feuchtwarme Mief ist unerträglich. Bin dankbar für jedes Schild Wir müssen draußen bleiben – als könnten Hunde lesen. Ihre Frauchen scheinen immun zu sein gegen den Gestank. Bin keine Hundehasserin. Wie meine Tochter und ihre Freundinnen finde ich Golden Retreaver süß. Wenn sie am Rheinufer Löcher buddeln und brav das Stöckchen bringen, mich als Läuferin nicht anspringen oder gar schnappen. Ihr sandfarbenes Fell leuchtet in de Sonne. Habe neulich im dm-Markt bei den Haarfärbemitteln die Nuance Golden Retreat gesehen, das ist ein Witz, oder? Es gibt auch Irish Sunset und Black Poodle, Creamy Shirley und Rose Bud für die ganz Durchgestylten. Ich hoffe, Douglas kommt nicht auf die Idee, den Geruch zu imitieren und teuer zu verkaufen, Reeking Hell.